Es wechseln Pein und Lust.
Genieße, wenn du kannst, und leide, wenn du musst.
(1818, Johann Wolfgang v. Goethe)
Das ist mein Mantra, was mich diesen Lauf, ja diesen Ultramarathon, begleitet hat.
JA. Ich bin jetzt Ultraläufer. Wahnsinn. Ich sitze hier und kann es eigentlich noch nicht so richtig fassen. Ich habe es getan. Ich bin ihn gelaufen. DEN Rennsteig. Darum verzeiht mir, wenn ich nicht unbedingt einen rote Faden im Blog habe. Denn ich muss selbst alles noch sortieren.
Es ist eine Leistung die ich vollbracht habe. Egal wie weit ich gelaufen bin. Egal wie lange ich gebraucht habe. Aber ich habe es geschafft. Und es ist ein unglaublich schönes Gefühl.
Wie so der Tag verlief und wo wir am Ende raus kamen, möchte ich euch in diesen Zeilen erzählen.
Es begann mit der Anreise in Katrins Heimat Thüringen. Echt schön hier. Erinnert ein wenig an den Taunus. Mit den ganzen Hügeln und Tälern, den Wäldern und Wiesen. Und auch das Wetter war uns wohlgesonnen. Am Marktplatz in Eisenach stand ein großes Zelt. Davor Tische und Bänke, auf denen sich schon die ersten Läufer mit ihren gelben Starterbeuteln niederließen. Eine recht entspannte Atmosphäre. Ruhig und gemütlich. Ich war schon etwas verwundert. Es war anders als sonst. Die Menschen hier, also die Starter, alle etwas älter. Gesetzter. Irgendwie bodenständiger. Nicht so wie sonst, wo es ein wildes Gewusel und Gerenne ist. Ein eigenes Flair sozusagen. „Das sind also alles Utraläufer“, sagte ich mir.
Auch wir holten unsere Unterlagen und genossen ein wenig die Sonne. Eine Thüringer Bratwurst musste sein, wenn man schon mal hier ist. Und bis zum obligatorischen Abendessen beim Rennsteig war auch noch etwas hin. Diese Zeit vertrieben wir uns mit nem kleinen Bummel durch die Strassen Eisenachs.
Ein paar Stunden später konnten wir sie dann endlich genießen: DIE Rennsteig-Klöße. Und ich muss sagen, für das was man sonst von Pasta-Partys kennt, war das schon was anderes. Aber definitiv nicht weniger lecker. Auch Sebastian mit Frau und Hund waren auch gekommen. Es war schön, auch ein bekanntes Gesicht zu sehen.
Jetzt aber ab nach Hause. Der Wecker klingelt früh. Zu Hause angekommen begann schon langsam das Vorabendritual vor einem Lauf. Sachen zusammen suchen, Gels und Verpflegung zurecht legen, Startnummer am Band befestigen und zu versuchen nicht zu nervös ins Bett zu gehen. Aber vor solch nem Lauf ist das leichter gesagt als getan. Denn die Nacht war doch recht durchwachsen. Ich glaube keiner kann da so richtig entspannt schlafen.
Der Lauftag begann sehr früh. 3:30h. Es ist noch dunkel und eigentlich kommt ein Gefühl von Unlust auf. Ist das etwa Lampenfieber? „Jetzt reiß dich zusammen. Du hast jetzt so lange trainiert. Jetzt gehst du da auch hin“ sagte ich mir. Auch Katrin ließ mich nicht liegen. Obwohl sie doch (denke ich) das selbe Gefühl plagte.
Die Laufsachen waren recht schnell angezogen. War Routine mittlerweile. Und auch der Rest war ja schon fertig. Jetzt nur noch zwei Brötchen schmieren für die Fahrt und los geht’s. Schließlich dann in Eisenach am Marktplatz, fiel uns als erstes der Startbogen ins Auge. Groß, Breit und Orange. Da beginnt er also: DER Rennsteiglauf. Der Beginn eines sehr langen Tages. Zum ersten mal realisierte ich das HEUTE der Tag der Tage ist. Heute ist es soweit. Vor einem halben Jahr war noch alles so weit weg. Aber jetzt stehen wir hier. Tatsächlich. Katrin wurde immer ruhiger. Ihr übliches Gefühl von Unlust vor den Wettkämpfen kam auf. Aber wir pendeln uns ja immer ein, so ab Km 5. Und ab da genießen wir dann nur noch. Und dann war er da: Der Startschuss. Wir haben 6h in der Früh und wir laufen los. Noch kurz durch Eisenach selbst und dann schon in die Wälder daneben, Richtung eigentlichem Rennsteig. Und diese knapp 7km hatten es schon in sich. Ich musste mich ja nach dem Weiltalmarathon für andere Schuhe entscheiden. So lief ich jetzt mit meinen Saucony München, die ja doch eine recht glatte Sohle haben. Was sich ein klein wenig als Nachteil herausstellte. Denn die Nacht zuvor hatte es nochmal geregnet und die doch recht erdigen Wege waren weich. Doch da das Läuferfeld noch recht kompakt ist zu Anfang, kamen wir sowieso nicht so schnell weg.
Aber der Untergrund änderte sich dann doch, als wir dann auf dem Rennsteig ankamen. Eine recht breite und geschotterte „Waldautobahn“. Und so konnten wir uns gut einpendeln und unseren Rhythmus finden. Genießen war angesagt, denn es ging uns gut. OK, etwas frisch war es noch mit 9 Grad, aber wir waren ja gut auf alles vorbereitet. Und es sollte ja auch noch wärmer werden. So zogen sich die Km dahin. Die Verpflegungsstellen waren echt gut organisiert. Es waren alle wirklich freundlich, trotz der frühen Stunde. Und auch das Angebot war wirklich reichlich. Was ich auch echt klasse fand waren Umweltzonen, die eingerichtet wurden. Mit Fahnen wurde gekennzeichnet, bis wohin man seine Becher abwerfen konnte. Doch auch da gab es immernoch den ein oder anderen, der sich nicht dran hielt. Manche lernen es eben nicht.
Die Km-Schilder flogen förmlich an uns vorbei. Und so merkten wir schon bald, dass wir uns recht schnell der 20km Marke näherten. Im Weiltal hatten wir jetzt schon unsere Problemchen. Doch jetzt lief es echt gut. Bergauf legten wir, wie eigentlich die meisten Läufer, einen strammen Gehschritt ein. Und auf der Ebene und bergab liefen wir. Eine recht gute Taktik. Wobei man ehrlicherweise dazusagen muss, das es die ersten 30km echt in sich hatten. Hier befinden sich die meisten positiven Höhenmeter. Doch so langsam näherten wir uns der „Halbzeit“. Auch hier an der Verpflegungsstelle gab es den Haferschleim, den ich ja vorher nicht kannte beim Laufen. Doch ich muss sagen, der tut echt gut. Füllt den Magen und hält lange vor. Und ein klein wenig Geschmack ist ja auch immer mit drin.
Aber so langsam begann der Körper sich zu melden. Die Anstrengung machte sich bemerkbar. Naja, schließlich laufen wir ja jetzt auch schon ein paar Stunden. Das ja dann normal. Und so langsam beginnt der Kampf. Der Kampf zwischen deinem Körper und deinem Kopf, denn man sagt das man die ersten 40-50 mit den Beinen läuft, den Rest dann nur noch mit dem Kopf. Und das merkte ich so langsam. OK, dann leide ich jetzt mal nen Moment. Da muss man eben mal durch.Gedanken wie: „Wieviele Km sind es noch? Wie schaut das Höhenprofil des Weges noch aus? Mir tut echt alles weh“ gingen mir durch den Kopf. Aber wir haben uns zu Anfang einen guten Trick zurecht gelegt. Wir zählen nur alle 10km. Somit sind es ja nur 7 und ein paar kleine. Und das lief echt gut muss ich sagen. Aber was noch besser half war eine Tatsache die wir erst am Vorabend erfuhren. Bei Km 54,8 gibt es eine offizielle Möglichkeit an der man den Lauf mit Zeitnahme und Medaille beenden kann. Und diese Tatsache nahm uns von Anfang an doch einen großen Druck. Denn in unserem Kopf geisterte immernoch der Umstand, dass wir letztendlich zuwenige lange Läufe aufgrund von Krankheit und anderen Gründen auf der Uhr hatten. Aber egal jetzt. Wir schaffen das schon. Wir haben ja ein Ziel. Und es ist ja UNSER Ziel.So machten wir immernoch einen Schritt vor den anderen. Und auch die Temperaturen stiegen. Die Sonne lachte und ich hatte echt die Möglichkeit meine Brille mal auszupacken. Also der Kopfmodus wieder auf genießen stellen. Der Rennsteig ist eine echt schöne Gegend den man bestimmt auch wandern kann. So kamen uns auch immer wieder Wanderer entgegen, oder kreuzten unseren Weg. „Ach heute ist ja der Rennsteiglauf. Na, das wäre mir ja nix“ schallte es da von einer Dame herüber. Wenn die wüsste das wir das alles freiwillig machen und Spaß dabei haben… Kann sie ja nicht wissen.
Aber auch der Kopf meldet sich wieder. Jetzt aber immer öfter. Und ich muss sagen das ich so langsam Mühe hatte mich mit ihm auseinander zu setzen. Mein Ziel sind die 55km. Und dann entscheiden wir ob wir weiter laufen. Und erst dann. Keinen Meter früher. Aber es wurde immer schwerer. Die Gedanken kreisen und fahren Karussell. Unsere Gespräche wurden weniger. Jeder war mit sich und seinem Körper beschäftigt. Und das artete langsam zur Höchstleistung aus. Völlig ungewohnt für mich. Denn wir sind jetzt schließlich über 8 Stunden Unterwegs. Ein Wahnsinn. Rückblickend stehe ich gerade noch am Start. Aber jetzt bin ich hier. Und es will und will nicht enden. Auch das Gefühl, als wir die ersten Loipen im Wald der Arena von Oberhof erreichten, war echt ungewohnt. Es war als würde alles so leicht gehen und beim nächsten Schritt war es wieder unfassbar schwer. Es war als würde der Kopf bremsen und der Körper weiter laufen. Wir verließen den Wald und sahen die ersten Gebäude. Aufhören? Weiter laufen? Aufhören, oder weiter laufen? Ich weiß es nicht. Echt nicht. Auch als wir die Zeitnahmematten überliefen und das gewohnte Piepen ertönte, war noch nichts klar.
Ich nahm mir eine Minute, ging in mich und wog ab. Für und wieder. Doch am Ende siegte bei uns die Vernunft. ENDE, wir steigen aus. Wir beenden hier und jetzt unseren Lauf. Das schönste Ziel der Welt steht in Schmiedefeld. Doch dieses Jahr noch nicht für uns. Und nein, es stelle sich kein enttäuschtes Gefühl ein, es nicht zu erreichen. Denn wir haben nur einen Körper. Und wir sind vernünftig genug um zu sagen wenn es nicht mehr geht. Und so nutzten wir diese Möglichkeit. Und so langsam realisierte ich: Ich bin ein Ultraläufer. Und ich kann es genießen.
Der Heimweg und der Abend daraufhin waren echt wunderbar. Ok, abgesehen von den üblichen Wehwehchen, die man nach solch einem Lauf eben nunmal hat. Aber auch da hatten wir schon vorgesorgt. Kompression ist echt gut für die Regeneration. Und Essen. Denn wir haben uns ja echt lange jetzt nur von Sachen ernährt die leicht rein gehen. Und so ne Bratwurst geht eben immer.
So langsam realisiere ich was das war. Es war der Rennsteig. Mit seinem eigenen Flair. Und es stimmt: Einmal Rennsteig, immer Rennsteig. Und so war es nicht verwunderlich das wir dann abends auf der Couch lagen, mit dem Handy in der Hand und plötzlich war es passiert. Halbmarathon am Rennsteig 2018.
Wir kommen also wieder.
Habe aus zeitlichen Gründen bisher nur den Anfang gelesen. Werde mir den Rest noch in Ruhe zu Gemüte führen. Z.Z. komme ich einfach nicht nach.
Aber so viel weiß ich ja schon. Ihr habt Großartiges geleistet und das verdient den größten Respekt! Bis bald! 🙂
Hallo Holger, dein Bericht ist lohnenswert zu lesen. Ich kann mir das alles sehr gut vorstellen, vor allem die Gedanken, die einem durch den Kopf gehen etc. Und die Bilder sagen ja auch einiges. Eure Entscheidung war völlig richtig. Die Leistung die ihr bis dahin vollbracht hattet ist schon grandios. Ich bin wirklich schwer beeindruckt. Solche Entfernungen zu laufen kann ich mir so gar nicht vorstellen und auch das frühe Aufstehen wäre gar nichts für mich (zumindest jetzt nicht mehr!). 🙂
Liebe Grüße Robert
Vielen Dank für die netten Worte.
Ich bin froh darüber die Erfahrung die ich gemacht habe. Man lernt sehr viel über sich.
Und nächstes Jahr sind wir ja wieder dabei ?